Bayreuth - Ziegenrück

 

Zum Beginn der Tour wartet gleich eine herausfordernde Etappe auf uns. Während wir uns zunächst entspannt von Bayreuth aus auf einer Höhe von ca. 350 m Metern über Trebgast nach Neuenmarkt-Wirsberg einrollen können, wartet dort schon der Anstieg in den Frankenwald, den wir heute östlich streifen. Der Frankenwald stellt einen Teil des Thüringisch / Fränkischen Schiefergebirges dar und erreicht seine größte Höhe mit 795 m ü.NN. Vorherrschende Landschaftselemente sind gerodete Hochflächen und bewaldete Hänge. Nachdem früher Rotbuchen und Tannen dominierten, wurde nach fast vollständiger Rodung zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert mit Fichten aufgeforstet. Besiedlungen gab es ungefähr seit dem 13. Jahrhundert, wobei der Wald den Bewohnern als Grundlage für Flößerei, Köhlerei sowie später für Glas- und Porzellanindustrie diente.

 Wir erreichen eine Höhe von ca. 600 Metern, durchqueren nach ca. 45 km die 8.500 Einwohnerstadt Helmbrechts, die sich durch Textilerzeugung einen Namen gemacht hat, und erreichen die Selbitz samt gleichnamiger Stadt, die mit ihren 4.300 Einwohnern auch als Tor zum Frankenwald gilt. Gleichzeitig markiert sie für uns den Übergang ins Bayerische Vogtland.

 Das historische Vogtland zwischen der oberen Saale, der Pleiße und der Regnitz ist hervorgegangen aus dem Herrschaftsgebiet der Vögte von Weida, Gera und Plauen, die von Kaiser Barbarossa im 12. Jahrhundert mit der Verwaltung der Gebiete beauftragt wurden. Auf diese Vögte geht das Geschlecht der Reußen zurück, deren Herrschaft bis 1918 andauerte. Das historische Vogtland umfasst den äußersten Nordosten von Bayern, den Südosten von Thüringen, den Südwesten von Sachsen sowie die tschechische Region im den Ort Asch und zeichnet sich durch landwirtschaftlich genutzte Hochflächen aus, mit offenen Landschaften und typischen alten Rodungsdörfern. Die ursprüngliche Bevölkerung war slawisch, worauf auch heute noch viele Ortsnamen zurückgehen.

 Wir machen eine kurzen Schlenker, überqueren bei Joditz die Saale und erreichen bald Mödlareuth (Km 75). Das heutige 50-Einwohnerdorf, urkundlich seit 1289 erwähnt, liegt am unscheinbaren Tannbach, der im 16. Jahrhundert als Grenze zwischen der Markgrafschaft Bayreuth und der Grafschaft Reuß-Schleiz festgelegt wurde. Dies hatte zunächst noch keinen Einfluss auf die Bevölkerung, jedoch sollte sich diese Entscheidung einige hundert Jahre später als fatal erweisen. 1810 wurde daraus die Grenze zwischen dem Königreich Bayern und dem Fürstentum Reuß, welches 1920 in Thüringen aufging. Nachdem dann 1945 Thüringen der sowjetischen Besatzungszone und Bayern der amerikanischen Besatzungszone zugeteilt wurde, war das Dorf nicht nur auf dem Papier, sondern auch physisch geteilt. Nach der Gründung der DDR und der BRD 1949 wurde die Grenze geschlossen und ein Überqueren war nur mit Passierschein möglich. Ab 1952 wurde in der DDR die Grenze befestigt und mit Zäunen, sowie später einer Mauer und Wachtürmen bewehrt.

 Heute ist die Grenze wieder frei passierbar. Nur noch das Freilichtmuseum, dem wir einen Besuch abstatten werden, erinnert hier rein äußerlich an die Deutsch-deutsche Teilung. Allerdings sind über 40 Jahre Teilung nicht spurlos an der Kultur der Menschen vorbeigegangen, und es gibt immer noch Unterschiede zwischen den beiden Ortsteilen. Neben unterschiedlichen Vorwahlen und Postleitzahlen ist dies zum Beispiel der Gruß: Während man auf der thüringischen Seite „Guten Tag“ sagt, heißt es auf der Bayerischen „Grüß Gott“.

 Wir lassen also das „Grüß-Gott-Land“ für eine lange Zeit hinter uns und folgen von Mödlareuth dem Tannbach weiter bergauf. So erreichen wir bald das auf 550 m ü.NN. liegende Gefell. Von hier aus geht es zunächst nördlich Richtung Schleiz, dann biegen wir aber nach Westen ab und gelangen nach 95 km nach Saalburg-Ebersdorf an der Bleilochtalsperre. Hier errichteten die Lobdeburger 1216 eine Burg um den Saaleübergang auf der Handelsstraße von Nürnberg nach Leipzig zu kontrollieren. Später fand eine der ersten Schlachten zwischen Napoleon und den Preußen am Ufer der Saale statt und Napoleon übernachtete im Schloss Ebersdorf. Im Saaletal nahe Saalburg wurde früher in den Bleilöchern Blei abgebaut – heute hat die dortige Talsperre den Namen Bleilochtalsperre und ist mit 215 Mio m³ der vom Fassungsvolumen größte Stausee Deutschlands. Erbaut wurde die Talsperre 1926–1932 innerhalb von Notstandsarbeiten des Landes Thüringen. Dafür wurden Arbeitslose aus allen Teilen Thüringens und Sachsens – insgesamt circa 700 Menschen – umgesiedelt und eingestellt. Der 28 km lange und 9,2 km²große See dient zum einen zur Bereitstellung von Spitzenlastenergie, zum anderen als Naherholungsgebiet.

 Von der Bleilochtalsperre folgen wir dann noch einige Kilometer dem Verlauf der Saale, bis wir nach 120 km unser heutiges Etappenziel, Ziegenrück, erreichen. Ziegenrück liegt auf 318 m ü.NN. Und ist mit 667 Einwohnern die fünftkleinste Stadt Deutschlands. Sie wurde im eng eingeschnittenen Tal der Saale gegen 1000 gegründet. Der Name kommt von der sorbischen Bezeichnung Czegenruck, was Flussbogen oder –schlinge bedeutet und sich auf den dortigen Verlauf der Saale bezieht. Die dortige Burg wurde 1222 erstmals erwähnt und diente der Überwachung des Saaleübergangs. Seit 1884 ist die Stadt an die Bahn aus Triptis angeschlossen. Sehenswert ist hier ein Wasserkraftmuseum welches in einer alten Mühle untergebracht ist.