Achern - Freiburg

 

Von Achern finden wir unseren Weg zurück an den Rhein, der von Karlsruhe bis Basel die Grenze zwischen Deutschland und Frankreich markiert.

 Südlich von Kehl und Straßburg rollen wir entlang des Rheins ins Naturschutzgebiet Taubergießen. Bis zur Jahrtausendwende war es das letzte Teilstück, in dem nahezu der gesamte Auenwald noch oberirdisch von Hochwasser erreicht und überflutet werden konnte und ist mit 1.697 ha eines der größten Schutzgebiete in Baden-Württemberg. Der Name rührt vom Taubergießen, einem der zahlreichen Gewässerläufe und -arme des Naturschutzgebiets, der im Norden des Gebietes verläuft. Als taub bezeichnen Fischer nährstoffarme Gewässer mit geringem Fischbestand. Zwar mag es wenige Fische geben, die den Fischern wirtschaftlichen Nutzen bringen, dafür leben in den Rheinauen außergewöhnlich viele seltene und gefährdete, zum Teil vom Aussterben bedrohte, Tier- und Pflanzenarten (Orchideen, Nashornkäfer, Pirol) die für diese besonders reich strukturierte Flusslandschaft typisch sind. Hier können sich noch naturnahe Lebensgemeinschaften entwickeln und diese werden auch intensiv erforscht beziehungsweise haben internationale Bedeutung, vor allem unter Berücksichtigung des Vogelzugs.

 Als der Oberrheingraben vor 35 Mio. Jahren in Folge eines Grabenbruchs entstand, fand der Rhein hier seinen Weg von den Alpen in die Nordsee und da das Gebiet vor allem zwischen Karlsruhe und Basel sehr weitläufig ist, mäandrierte der Rhein in zahlreichen Seitenarmen, die sich auf einer Breite von bis zu zehn Kilometern durch die aus Inseln und Kiesbänken geprägte Landschaft zogen. Der Rhein fand reichliche, großflächige Retentionsgebiete, die die bei Hochwasser anfallenden Wassermengen aufnehmen konnten. Er war somit stetig eine Gefahr für Vieh, Landwirtschaft und Mensch. Die von Johann Gottfried Tulla und seinen Nachfolgern im 19. Jahrhundert durchgeführte Rheinbegradigung zwang den Rhein erstmals in ein festes Bett und teilte die Flussaue in zwei Zonen auf: eine der dem Rheinufer naheliegende Zone, die noch periodisch überflutet wurde, und eine Zone östlich des Damms, die vom Strom des Rhein abgeschnitten wurde. Durch die Begradigung, Erhöhung der Fließgeschwindigkeit und damit einhergehende Tiefenerosion nahm das Niveau des Rheins bis zu 7 m ab und die bisher von den Schlingen durchzogenen Gebiete wurden trockengelegt. Die Auwälder gingen zurück und deren landwirtschaftliche Nutzung wurde unmöglich. Man entschied sich für eine Teilkanalisierung und die Einrichtung eines durchgängigen Wasserlaufs des Altrheins. Der Grundwasserspiegel konnte so wieder angehoben werden. 2006 wurde daraufhin das Projekt Revitalisierung Taubergießen gestartet und im Jahre 2008 das Gebiet in die Ramsar-Konvention (Übereinkommen über Feuchtgebiete, insbesondere als Lebensraum für Wasser- und Watvögel, von internationaler Bedeutung) aufgenommen.

 Direkt östlich des Naturschutzgebietes liegen, im krassen Gegensatz zur Ruhe und Natürlichkeit des Taubergießen, Rust und der Europapark, Deutschlands größter Freizeitpark. Auf einer Gesamtfläche von rund 950.000 m² werden in 18 Themenbereichen über hundert Fahrgeschäfte und mehrere Shows geboten. Dabei sind die Themenbereiche so aufgeteilt, dass jede mehrheitlich einem europäischen Land oder einer europäischen Region zugeordnet werden kann. Es soll dem Besucher das Gefühl vermittelt werden innerhalb eines Tages mehrere europäische Länder entdecken zu können.

 Vorbei an Wyhl am Kaiserstuhl, einer 3700 Einwohnergemeinde, die bekannt dadurch wurde, dass sie sich erfolgreich gegen den Bau eines Kernkraftwerks wehrte und der Weinbau- und Feriengemeinde Sasbach am Kaiserstuhl mit ebenfalls 3400 Einwohnern, erreichen wir den Kaiserstuhl mit seinen 556,6 m ü.NN. Das kleine Mittelgebirge inmitten der flachen Oberrheinischen Tiefebene hat seinen Ursprung im Tertiär als Höhepunkt und Schlusspunkt der vulkanischen Aktivität im Oberrheingraben. Die den Großteil des zentralen und westlichen Kaiserstuhls aufbauenden vulkanischen Gesteine wurden vor rund 19 bis 16 Millionen Jahren im Miozän durch zahlreiche Vulkanausbrüche gebildet und werden heute weitgehend von einer quartären Lössschicht bedeckt, die sich während der letzten vegetationsfreien Eiszeit durch Auswehung aus dem Rheinschlamm entwickelte. Durch ihre gute Belüftung, hohe Wasserspeicherfähigkeit und guten mechanischen Eigenschaften werden die Lössböden des Kaiserstuhls agrarisch intensiv genutzt. Da das Klima im Oberrheingraben zudem sehr warm ist, eignet sich das Gebiet hervorragend zum Weinanbau. Neben einer Vielfalt an Wein (Müller-Thurgau, Riesling, Silvaner, Blauer Spätburgunder, Grauburgunder, Weißer Burgunder, Gewürztraminer), beherbergt das kleine Mittelgebirge zudem die größte Orchideenvielfalt Europas. Zwischen den Rebstöcken wuchern wilde Traubenhyazinthen, und an Böschungen blühen Schwertlilien. Außerdem leben hier Bienenfresser, Smaragdeidechsen und Gottesanbeterinnen–Arten, die ihren Verbreitungsschwerpunkt im mediterranen Bereich haben.

 Am östlichen Fuße des Kaiserstuhls auf 192 m ü.NN liegt Bötzingen mit seinen 5300 Einwohnern. Urkundlich wurde Bötzingen erstmals 769 als Bezzo in einer Urkunde des Klosters Lorsch im Zusammenhang mit dem Weinbau erwähnt  und ist damit wohl das älteste Weinbaugebiet Badens. 1935 wurde die Winzergenossenschaft Bötzingen von 64 Winzern gegründet, dessen Weine bei den Gebietsweinprämierungen des Badischen Weinbauverbands jährlich mit zahlreichen Gold- und Silbermedaillen ausgezeichnet werden. Heute nutzt die Gemeinde etwa 305 ha Fläche zum Weinbau. Von da aus, eventuell nach einem Glas Wein in einer der Weingüter (Josef Ambs, Gustav Brodbeck, Frank Hauser, Biolog. Weingut Matthias Höfflin, Erich Konstanzer, Gustav Konstanzer, Biolog. Weingut Thomas Schaffner, Weingut Rudolf Zimmerlin, Weingut Ralf Trautwein, Weingut Stefan Rinklin) fahren wir angeheitert weiter nach Freiburg. Vielleicht hilft der Wein uns ja darüber hinweg, dass wir bis dorthin nochmals 92 Höhenmeter überwinden , wobei allerdings zu bedenken ist, dass die Stadt mit ihrer Nord-Süd-Ausdehnung von 18,6 km und Ost-West-Ausdehnung von 20 km an sich schon einen beachtlichen Höhenunterschied von über 1000 m aufweist (von Waltershofen 196 m ü.NN bis zum Schauinsland 1284 m ü.NN).

 Freiburg im Breisgau ist mit 226.400 Einwohnern die südlichste Großstadt Deutschlands. Der Zähringer-Herzog Bertold II. ließ 1901 das Castrum de Friburch, die heutige Ruine Leopoldsberg, auf dem Schlossberg bauen und sein Sohn Konrad verlieh der Siedlung im Fuße des Berges 1120 die Markt- und Stadtrechte. Durch Silbermienen im Schwarzwald wurde die Bevölkerung wohlhabend und wuchs. Um 1200 sollte die zu kleine Kirche durch das heutige Münster, eines der Wahrzeichen Freiburgs, ersetzt werden, welches 1536 erst fertig gestellt wurde. Der 116 Meter hohe gotische Turm des Münsters überragt alle Gebäude der Stadt. 1796 nahmen französische Revolutionstruppen Freiburg ein, aber bereits 3 Monate später befreite Erzherzog Karl die Stadt. Die Schlussakte des Wiener Kongresses bestätige 1815 den Verbleib Freiburgs im Großherzogtum Baden. Mit der Reichsgründung von 1871 nahm die Stadt am allgemeinen Wirtschaftsaufschwung in Deutschland teil. Zum Ende des 20. Jahrhunderts ab 1970, vor allem durch den Widerstand gegen das Kernkraftwerk Wyhl, entwickelten sich eine stark autonome Szene und ein breites ökologisch orientiertes Spektrum. Freiburg wurde zu einer Hochburg der neu gegründeten Grünen und wird daher als Ökohauptstadt Deutschlands bezeichnet. Ein weiteres Wahrzeichen der Stadt ist das Freiburger Bächle - die mit Wasser der Dreisam gespeisten Wasserläufe in den meisten Straßen und Gassen der Altstadt. Die Gesamtlänge der Bächle beträgt 15,5 km, von denen 6,4 km unterirdisch verlaufen. Die Bächle gibt es nachweislich schon seit 1120, also bereits zur Zeit der Gründung Freiburgs. Da die Siedlung als Vorläufer der Stadt Freiburg unterhalb des Schlossbergs auf dessen Schotterkegel errichtet worden war, bot sich wegen des natürlichen Gefälles der Ablagerungen die Anlage künstlicher Wasserläufe zur Bewässerung etwa von Weideland an. Die Bächle leiten seit jeher das Regenwasser aus der Stadt und transportieren dabei auch allerlei Schmutz. Damit tagsüber die Bächle ein positives Bild der Stadt boten, durften in ihnen bereits seit dem 14. Jahrhundert „Ärgernis erregende Stoffe“ nicht vor Einbruch der Dunkelheit entsorgt werden. Ratsverordnungen im 16. Jahrhundert verboten später gänzlich die Entsorgung fester Stoffe mittels der Bächle: „Und soll nymandt dhein mist, strow, stain in die bäch schütten …“