Freiburg - Überlingen

 

Nachdem wir von Westen über das kleinste Mittelgebirge Deutschlands nach Freiburg gekommen sind, verlassen wir die Stadt nach Osten direkt in Deutschlands höchstes und größtes zusammenhängendes Mittelgebirge – den Schwarzwald, der sich vom Oberrheingraben aus als imposante Pultscholle erhebt. Er ist das letzte große Hindernis auf unserer Reise nach Bayreuth, so fordert uns die heutige Etappe nochmal mit gut 1.500 Höhenmetern. Da die heutge Etappe auch recht lang ist, ist sie durchaus ein Kandidat sie zu splitten, falls wir den freien Tag noch zur Verfügung haben – und im Hochschwarzwald oder Donaueschingen einen Zwischenstopp einzulegen. Auch das Ende der Etappe ist etwas flexibel, es wird aber irgendwo zwischen Ludwigshafen und Meersburg am Bodensee liegen.

 Der Schwarzwald erstreckt sich vom Hochrhein im Süden bis zum Kraichgau im Norden. Im Westen wird er begrenzt von der Oberrheinischen Tiefebene und im Osten geht er über in Gäu, Baar und das Hügelland westlich des Klettgaus. Die naturräumliche Abgrenzung von den umgebenden Landschaften orientiert sich am Auftreten des Muschelkalks, der innerhalb des Schwarzwalds fehlt. Gerade die Westseite, an der unsere Etappe durch den Schwarzwald beginnt, weist die höchsten Erhebungen und größten unmittelbaren Höhenunterschiede (bis 1000 m) auf. Sie ist bedeckt von scheinbar endlosen Nadelwäldern und davon umschlossenen Rodungsinseln. Regenreichen atlantischen Westwinden frei ausgesetzt fällt hier im Durchschnitt mehr Regen als auf der Ostseite, die mit ihren meist gerundeten Bergformen und weiten Hochplateaus von Anfang an trotz ihrer Steilheit leichter zu besiedeln war und heute mit seinen vielgestaltigen Wiesentälern offen und freundlicher erscheint. Üblicherweise wird der Schwarzwald in seinen 30-50 km Breite nicht in West- und Ostseite unterteilt, sondern in seinen 150 km Länge in Nord- Mittel- und Südschwarzwald. Die gängigste ist die Gliederung nach Rudolf Metz von 1959. Sein Mittlerer Schwarzwald reicht vom intensiv zertalten Abschnitt vom Renchtal und den Südausläufern des Kniebis im Norden bis etwa Freiburg und Donaueschingen im Süden. Wir folgen praktisch von West nach Ost der ungefähren Grenze zwischen Mittel- und Südschwarzwald.

 In der Antike war der Schwarzwald unter dem Namen Abnoba mons bekannt, nach der keltischen Gottheit Abnoba, der Beschützerin des Waldes, des Wildes und der Quellen und Heilquellen in Badenweilern. Die Römer trauten sich anfangs nicht in den dichten Wald hinein. Die ersten Siedlungen, z.B. Röthenbach entstanden im Ende des 10. Jahrhunderts. Der ursprüngliche Mischwaldbestand wurde Mitte des 19. Jahrhunderts durch die intensive Nutzung fast vollständig gerodet und danach überwiegend mit Fichtenmonokulturen wieder aufgeforstet. Vor allem der Orkan Lothar richtete 1999 große Schäden in den Fichtenkulturen an. Einige kleinere und auch größere Sturmflächen werden heute sich selbst überlassen damit sich dort wieder ein natürlicher Mischwald entwickelt. Neben der Forstwirtschaft lebte und lebt die Region außerdem vom Bergbau, der Wasserkraftnutzung, der Glasherstellung und Köhlerei, sowie der feinmechanischen Herstellung von Schmuck und Uhren, vor allem der berühmten Kuckucksuhren. Heute wird die Region dominiert vom Fremdenverkehr. Der Schwarzwald ist es das meistbesuchte Urlaubsziel unter den deutschen Mittelgebirgen. Die am stärksten frequentierten touristischen Ausflugs- und Erholungsziele im Schwarzwald sind der Titisee und der Schluchsee. Unter den Erhebungen sind es neben dem Feldberg vor allem der Belchen, der Kandel und der Schauinsland sowie im Nordschwarzwald die Hornisgrinde, der Schliffkopf, der Hohloh, der Merkur und die Teufelsmühle. Die ländlich geprägte Region besteht aus vielen kleinen Gemeinden, in denen noch Tradition und Brauchtum gepflegt werden, zum Beispiel durch das tragen traditioneller Trachten mit dem charakteristischen Bollenhut.

 Einmal über die 1015 m ü.NN und 1043 m ü.NN des Schwarzwaldes hinaus, rollen wir hinab auf das 686 m ü.NN hohe Hochplateau der Baar in die 22.500 Einwohner-Stadt Donaueschingen bei Kilometer 65 mit ihrer besonderen geologischen Rolle. Hier in der Talung der Brigach vereint sich diese mit der Breg und zusammen bilden sie den Beginn der Donau. Als einzige Gemeinde erstreckt sich die Gemarkung durchgehend vom Granit und Gneis des Schwarzwalds über die Trias-Formationen der Schwarzwald-Ostabdachung und der Baar bis zum Jura der Schwäbischen Alb und kann sämtliche Gesteinsschichten des süddeutschen Schichtstufenlands aufweisen. Als Esginga im Herzogtum Schwaben wurde Donaueschingen 898 das erste Mal urkundlich erwähnt und erhielt 1810 als Ort im Großherzogtum Baden das Stadtrecht. Die Hauptsehenswürdigkeiten der Stadt sind das Schloss, das 1723 als langgestreckter Zweckbau errichtet und 1893/96 im Stil des Neubarock umgestaltet und mit einer Kuppel versehen wurde und die Donauquelle im Schlosspark. An der Quelle zeigt die „Mutter Baar“ ihrer Tochter der „jungen Donau“ den Weg.

 Dieser Weg führt Richtung Nordosten, und wir folgen ihm für ca. 20 Kilometer bis kurz hinter Immendingen. Dort spielt sich nämlich oft ein besonderes Schauspiel ab: In der Donauversinkung versickert die junge Donau in einem Karstsystem, um im zwölf Kilometer entfernten Aachtopf wieder auszutreten und als Radolfzeller Aach in den Bodensee zu fließen. Dadurch entsteht eine Verbindung vom Einzugsgebiet des Schwarzen Meeres und der Nordsee, was eine markante Besonderheit der Europäischen Wasserscheide ist. Dabei ist die Versinkung erdgeschichtlich sehr jung, erst für 1874 wurde die erste vollständige Versinkung bezeugt, seitdem steigen die Zahl der Versinkungstage stark an. Heute versinkt die Donau an etwa 130 – 150 Tagen pro Jahr vollständig, der Rekord wurde im Jahr 1921 mit 209 Versinkungstagen aufgestellt. Auf lange Sicht wird die heutige obere Donau wohl vollständig zur Radolfzeller Aach hin umgeleitet, womit heute eher unbedeutende Donaunebenflüsse zu den neuen Quellflüssen der Donau werden.

 Der Nachweis über den Austritt des Wassers im Aachtopf wurde übrigens bereits 1877 erbracht, als der Geologe Adolph Knop von der Technischen Hochschule Karlsruhe das Wasser an der Donauversinkung mit 10 Kilogramm Fluorescein, 20 Tonnen Salz und 1200 Kilogramm Schieferöl versetzte. Nach 60 Stunden konnten alle drei Substanzen im Aachtopf nachgewiesen werden, als „prachtvoll grünleuchtendes“ Salzwasser mit Kreosotartigem Geschmack zu Tage trat. Den Aachtopf erreichen wir auch kurze Zeit später, wo nun nach 140 Jahren die „Umweltsünden“ der damaligen Forschung schon lange verflossen sein sollten.

 Von hier aus soll unser Weg weiter nach Südosten gehen. Nach weiteren 125 km erreichen wir die nordwestlichste Spitze des Bodensees, genauer des Teils des Obersees, der Überlingersee genannt wird. Hier liegt die vereinigte Gemeinde Bodman-Ludwigshafen. Die heutige deutsche Bezeichnung Bodensee leitet sich vom Ortsnamen Bodman ab, der auf althochdeutsch wohl ursprünglich Bodamon (= auf den Böden = Ort auf ebener Fläche) lautete. Dieser am Westende des Überlinger Sees gelegene Ort war im frühen Mittelalter für eine gewisse Zeit als fränkische Königspfalz, alemannischer Herzogssitz und Münzstätte von überregionaler Bedeutung, weshalb der Name auf den See übertragen worden sein dürfte. Wolfram von Eschenbach bezeichnet ihn auf mittelhochdeutsch als Bodemen- oder Bodemsee was sich schließlich zum heutigen Namen Bodensee weiterentwickelt hat. Ludwigshafen wird als Sernatingen 1145 erstmals urkundlich erwähnt und wurde 1826 vom Großherzog Ludwig auf Ludwigshafen getauft. 1973 fand die Vereinigung mit Bodman statt. Zwischen den beiden Orten befindet sich das Naturschutzgebiet „Bodenseeufer“ mit dem Aachried, in dem seltene Vögel und Pflanzen ein Refugium gefunden haben.

 Beiden Seen des Bodensees, also der Obersee und der Untersee zusammen, bilden eine Fläche von 536 km², sind mit 48,5 km3 Wasser gefüllt und besitzen eine Uferlänge von 273 km, wovon 173 km in Deutschland liegen. Nach dem Plattensee und Genfersee ist der Bodensee damit der drittgrößte See Mitteleuropas. Das Becken des Bodensees wurde wesentlich während der Würm-Eiszeit durch den aus dem alpinen Rheintal austretenden Rheingletscher geformt und ist daher ein Gletscherrandsee oder – ich finde diese Bezeichnung fantastisch – ein würmglazialer Zungenbeckensee. Wie jeder glaziale See wird auch der Bodensee durch Sedimentation in geologisch naher Zukunft verlanden. Dieser Prozess lässt sich am besten an den Mündungen größerer Flüsse, vor allem der des Alpenrheins, beobachten. Weiterhin erfährt der Bodensee durch die globale Erwärmung eine stetige Erhöhung der Durchschnittstemperatur, die von 1990 bis 2014 um ca. 0,9°C anstieg, wodurch es zu einer schlechteren Durchmischung des Tiefenwassers und einer Veränderung der Artenzusammensetzung kommt. Momentan beträgt die mittlere Wassertemperatur im Juli angenehme 20°C bis zu 25°C. Die Wirtschaftskraft um den See ist vor allem durch den Obst- und Weinbau bestimmt. Bei einer Jahresernte von 280.000 Äpfeln stammt jeder dritte deutsche Apfel vom Bodensee. Es werden die Rebsorten Spätburgunger, Müller-Thurgau und Weißburgunder angebaut. Die Fischerei hingegen ist ein rückläufiges Gewerbe, da durch den in den letzten Jahren sinkenden Nährstoffgehalt des Wassers die Fische nicht mehr so groß werden. Hauptsächlich werden Blaufelchen und Flussbarsche gefangen; Seeforelle, Aal, Hecht und Seesaibling sind selten. Daneben ist vor allem die Tourismusindustrie mit 1,8 Mrd. € Umsatz im Jahr die größte Einnahmequelle der Region.

 Von übergeordneter Bedeutung für den Tourismus ist auch die Stadt Überlingen. Nach Friedrichshafen ist Überlingen mit seinen 22.400 Einwohnern die zweitgrößte Stadt im Bodenseekreis. Erste Erwähnungen finden sich um 770 in einer Schenkungsurkunde des Grafen Robert an das Kloster St. Gallen. Um 1180 verlieh Kaiser Barbarossa dem Ort das Marktrecht und 1211 erhielt Überlingen das Stadtrecht. Ende des 14. Jahrhunderts war es noch freie Reichsstadt, verlor aber 1803 seine Reichsunmittelbarkeit als es Teil des Großherzogtums Baden wurde. Die Stadt ist ein anerkanntes Kneippheilbad und verzeichnet pro Jahr mehr als 500.000 Übernachtungen. Das Wahrzeichen der Stadt ist der größte spätgotische Bau am Bodensee, das Münster St. Nikolaus. Die imposante Kirche schmückt ein monumentaler Holzaltar des Bildhauers und Schnitzers Jörg Zürn aus der Zeit der Spätrenaissance.