Bremen - Hameln

 

Von Bremen aus nehmen wir am heutigen Tag die längste geplante Etappe der Tour in Angriff, 163 Kilometer geht es immer entlang der Weser nach Hameln. Die Weser selbst ist 451 km lang, entsteht durch Vereinigung von Werra und Fulda in Hannoversch Münden, einem unserer späteren Etappenziele, und mündet bei Bremerhaven in die Nordsee. Rechnet man den Quellfluss Werra hinzu, summiert sich die Länge auf 751 km Die Weser ist der einzige deutsche Strom, dessen Einzugsgebiet ausschließlich in Deutschland liegt.

 Als großer Strom diente die Weser seit jeher eine wichtige Rolle als Verkehrsweg sowohl für Waren als auch für Ideen. Namensgebend ist der Strom für die Weserrenaissance, einen Baustil zwischen dem Beginn der Reformation und dem Dreißigjährigen Krieg. Die Weserregion erlebte zu dieser Zeit einen Bauboom, und da sich die Region nur schleppend von den Folgen des Dreißigjährigen Krieges erholte, fehlten in späterer Zeit die Mittel für eine barocke Umgestaltung. Aus diesem Grund haben sich Schlösser, Adelshöfe, Rat- und Bürgerhäuser sowie Sakralbauten der Renaissance in ungewöhnlicher Dichte erhalten.

 Landschaftlich dominieren zwischen Bremen bis Minden, entlang der Mittelweser, sehr flache Marsch-, Geest- und Moorlandschaften und immer wieder finden sich dort ursprünglich gebliebene Wälder. Die strukturschwache Region ist dabei landwirtschaftlich geprägt, insbesondere spielen hier Kohl- und Spargelanbau sowie Rinder- und Pferdezucht eine Rolle. Einer der Orte auf unserem Weg ist Bücken, mit der sehenswerten Stiftskirche St. Meterniani et St. Nicolai. Sie wurde vom Bremer Bischof im 8. Jahrhundert als Missionarsstation erbaut, zunächst noch als Holzbau. Im 11. Jahrhundert wurde schließlich die Steinkirche errichtet, in deren Innern sich heute große Kunstschätze befinden. Der Stift war im 12. Jahrhundert eines der reichsten Klöster Norddeutschlands. 1532 fand hier die Reformation statt, was der Graf von Hoya dazu nutzte, die Kirchengüter einzuziehen.

 Einige Kilometer später passieren wir dann Nienburg, mit 31.200 Einwohnern auf 25 m ü.NN gelegen und damit größte Stadt der Mittelweserregion. Hier ist insbesondere das Rathaus, das vermutlich aus dem 14. Jahrhundert stammt und damit eines der ältesten und eindrucksvollsten Gebäude der Stadt darstellt.

 Nach 115 km erreichen wir die Stadt Minden, bereits in Westfalen gelegen. In der 81.600 Einwohnerstadt , gelegen auf 42 m ü.NN liegt ein wichtiges Wasserstraßenkreuz: Der Mittellandkanal, der die Stadt von West nach Ost durchquert, kreuzt hier auf einem imposanten Brückenbauwerk die Weser, die von Süd nach Nord fließt. Die Gegend hier ist schon seit dem 3. Jh. v. Chr. besiedelt, gegründet wurde die Stadt dann um 800. Nach Abzug der französischen Truppen 1813 wurde Minden preußische Garnisonsstadt, die dann folgende preußische Zeit war sehr prägend für das heutige Stadtbild. Sehenswert ist auch das Haus am Windloch, welches als eines der kleinsten Gebäude der Stadt gilt.

 Einige Kilometer südlich von Minden liegt dann Porta Westfalica, gelegen auf 70 m ü.NN. Die Stadt entstand 1973 durch willkürlichen Zusammenschluss von 15 Gemeinden und zählt heute 35.430 Einwohner. Geographisch interessant ist hier das Durchbruchstal der Weser durch das Weser- und Wiehengebirge, welche bereits im Stadtgebiet Gipfelhöhen zwischen 200 und 300  m erreichen. Diese Gebirge markieren für uns das Ende der Norddeutschen Tiefebene und den Beginn der Mittelgebirge. Hier beginnt auch das Weserbergland, welches die Weser beidseitig flankiert und aus mehreren geologisch zusammenhängenden, jedoch deutlich voneinander unterscheidbaren Höhenzügen besteht, die bis zu 528 m ü.NN aufragen. Einer dieser Höhenzüge ist das Wesergebirge östlich der Porta Westfalica, das Höhen von 336 m ü.NN erreicht und durch saxonische Bruchschollentektonik entstanden ist. Es wurde zur Saaleeiszeit von den Gletschern aus dem Norden überflossen, hat aber keine eigenen Gletscher ausgebildet. Heute finden sich hier bedeutende Buchenwaldbestände. Das Wiehengebirge westlich von Porta Westfalica erreicht noch Höhen von bis zu 230 m ü.NN, wird aber nach Westen kontinuierlich flacher. Wegen seiner geraden Linie im Osten, wo es sich wie eine Mauer aus dem Norddeutschen Tiefland erhebt, wird es auch Bauernlineal genannt. An der Porta Westfalica wurde hier zwischen 1892 und 1896 das 88 m hohe Kaiser-Wilhelm-Denkmal mit dem Hintergrund der nationalen Idee im Kaiserreich errichtet. Damit ist das weithin sichtbare Monument ein Wahrzeichen des nördlichen Ostwestfalens. Die Region des Weserberglands ist auch Heimat zahlreicher Märchen der Gebrüder Grimm, so beispielsweise Schneewittchen, das in Alfeld spielen soll, Rapunzel, die ihr langes Haar ihrem Prinzen von einem Turm der Trendelburg herabgelassen haben soll, oder Dornröschen, als dessen Schloss die Ruine Sababurg bei Hofgeismar gilt.

 Da die Weser südlich der Porta einen Bogen macht, kürzen wir hier etwas ab und fahren von Porta Westfalica einige Höhenmeter auf den Ausläufern des Wesergebirges hinauf, um uns anschließend nach Rinteln hinunter rollen lassen. Hier befinden wir uns wieder in Niedersachsen. Sehenswert ist die Stadt (25.190 Einwohner, 56 m ü.NN) aufgrund ihrer zahlreichen alten Fachwerkhäuser. Früher war Rinteln hauptsächlich Handwerker- und Handelsstadt. Von hier aus folgen wir wieder der Weser, die nun beidseits von weiteren Höhenzügen des Weserberglands flankiert wird. So erreichen wir zum Ende unserer Etappe die Rattenfängerstadt Hameln. Mit 56.530 Einwohnern ist die auf 68 m ü.NN. gelegene Stadt Zentrum des Naturparks Weserbergland Schaumburg-Hameln. An den Hauptstraßen findet sich ein nahezu geschlossenes historisches Stadtbild mit prachtvollen Fachwerk- und Steinhäusern der Weserrenaissance. Gegründet wurde Hameln bereits 851 als Benediktinerkloster. Bekanntheit in die Folklore hat Hameln besonders wegen der Rattenfängersage erhalten. Wahrscheinlich bietet der Auszug von Jungbürgern, angeworben von adeligen Territorialherren zur Ostkolonisation, die Grundlage dieser Geschichte. Von 1426 bis 1572 war Hameln Mitglied der Hanse, wodurch es insbesondere im 16. Jahrhundert zu einem wirtschaftlichen Aufschwung kam, was sich an den Prachtbauten aus dieser Zeit heute noch ablesen lässt. Dieser Aufschwung hielt bis zum Dreißigjährigen Krieg an.

 Im Dritten Reich erlangte Hameln Bekanntheit durch das Reichserntedankfest, mit über einer Million Teilnehmern eine der größten Massenveranstaltungen der Nationalsozialisten. Sehenswert ist auch die Pfortmühle, die älteste erhaltene Mühle der Stadt und gleichzeitig die letzte Wesermühle, noch bis 1968 war sie in Betrieb. Ausklingen lassen können wir den Tag im Rattenfängerhaus, stilecht beim Genuss von Flambierten Rattenschwänzen sowie einem Rattenkiller, einem starken Kräuterlikör, der am besten vor dem Genuss flambiert wird.