Überlingen - Ottobeuren

 

Am heutigen Tage verlassen wir den Bodensee wieder, um unseren Weg durch Oberschwaben ins Unterallgäu fortzusetzen. Auf den 115 Kilometern stehen dabei nochmal bergige 1000 Höhenmeter an. Den Morgen verbringen wir jedoch noch am großen See und fahren an dessen Ufer entlang, wo wir zunächst Unteruhldingen passieren. Hier steht das Pfahlbaumuseum, das 23 Nachbauten von Pfahlbauten aus Stein- und Bronzezeit präsentiert. Auch Originalfundstücke aus Pfahlbausiedlungen sind hier ausgestellt. Die Überreste der alten Pfahlbausiedlungen wurden 2011 in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen.

 Nach einigen weiteren Kilometern am Seeufer kommen wir dann in den Weinbau- und Tourismusort Meersburg. Das Städtchen liegt an einem sonnigen Südhang auf 400-500 m ü.NN, welcher prädestiniert ist für den Weinbau und auf 120 ha etwa 1 Mio. Liter Wein liefert. Wichtige Rebsorten sind Müller-Thurgau und Spätburgunder, aus dem in Meersburg Rotwein sowie der goldgelbe bis bernsteinfarbene Weißherbst ausgebaut wird. Rebsorten, die ein besonderes Bukett ergeben, sind der Traminer, Bacchus, Kerner und Sauvignon Blanc. Eine weitere wichtige Rebsorte ist auch der Weißburgunder. Weiterhin gibt es hier auch 20 Kleinbrenner. In Meersburg leben 5776 Menschen, doch durch seine idyllische Lage und teilweise überregional bekannten Restaurants und Weinstuben, zieht der Ort ungefähr eine Million Tagesausflügler an.

 Von hier aus verlassen wir den Bodensee Richtung Nord-Osten und erreichen nach etwa 15 km Ravensburg, eine 49.800 Einwohner große Mittelstadt im südlichen Oberschwaben, welche wegen ihrer gut erhaltenen mittelalterlichen Türme früher auch als „das schwäbische Nürnberg“ bezeichnet wurde. Urkundlich wurde Ravensburg erstmals 1088 erwähnt und war bis 1803 freie Reichsstadt. Der Kern der heutigen Stadt entstand unterhalb der Stammburg der Welfen, der Ravensburg. Der letzte Welfer vermachte sein Reich seinem Neffen, dem Staufer Friedrich I. Barbarossa. Mit dem Untergang der Staufer endete auch das Herzogtum der Schwaben, woraufhin sich Ravensburg, wie viele andere Städte Schwabens, sich fortan als freie Reichstadt selbst regierte und die Burg Reichsbesitz wurde. Ende des 14. Jahrhunderts entstand in Ravensburg eine bedeutende Papierproduktion, die ihre Blütezeit im 16. Jahrhundert hatte. Im Mittelalter galt Ravensburg als größter Papierlieferant nördlich der Alpen und war neben Nürnberg die zweite Stadt, die in Deutschland überhaupt Papier herstellte.

 Die Papierherstellung aus Fasern wie wir sie heute kennen, ist zum Großteil von den Wespen abgeschaut. Nördlich des kleinen Ortes von Bad Wurzach findet am 08.08. eine Führung durch das Wurzacher Ried statt, die sich diesem Thema widmet. Das Wurzacher Ried erreichen wir kurz nachdem wir auf 695 m. ü. NN. die Wasserscheide zwischen Rhein und Donau ein überquert haben. Es ist eines der bedeutendsten Hochmoorgebiete in Süddeutschland und besitzt eine Ausdehnung von 1812 ha, wovon etwa ein Drittel von Menschen unberührtes Hochmoor sind. Ein weiteres Drittel sind Bereiche des Niedermoors und der Rest wurde bis in die 1990er Jahre durch den Torfabbau (vor allem Badetorf für den Kurbetrieb in Bad Wurzach) wesentlich verändert und gestaltet. Der Torf bildete sich aus den großen Mengen Biomasse, die im sauerstoffarmen See einer abflusslosen Senke wuchs. In diesem nun bestehenden Nieder- oder Grundwassermoor siedelten sich verschiedene Moose an, die in ihren Zerfallsprozessen weitere Schichten auf das Niedermoor legten, das sich dadurch erhöhte, wölbte und fester wurde. So wird es nun nicht mehr vom Grundwasser, sondern von den ergiebigen Niederschlägen gesteuert. Es entstand das Hochmoor, welches durch seine sehr sauren und nährstoffarmen Bodenverhältnisse nur wenigen Pflanzen wie dem Wollgras, dem Sumpfrosmarin, der Moosbeere, sowie vor allem verschiedenen Torfmoosen einen Lebensraum bietet. Vereinzelt tritt auch der Sonnentau auf. In den weniger feuchten Bereichen des Niedermoors kann eine Fülle von Blütenpflanzen und Orchideen gedeihen. Um das Ried zu erkunden benutzen Touristen gerne das Torfbähnle, welches an bestimmten Wochenenden durch das Ried fährt und von einem Moderator mit Erklärungen über Geschichte und Nutzung des Rieds begleitet wird. Für Spaziergänge durch das Ried sind Wege und Holzstege ausgebaut.

 Die nächste größere Stadt auf unserem Weg und die viertgrößte Stadt im Regierungsbezirk Schwaben ist Memmingen mit 42.840 Einwohnern. Als der Ort 1128 das erste Mal erwähnt wird, hat Mammingin bereits eine für die Welfen machtpolitische Bedeutung und wächst relativ schnell zu einer Stadt heran. Im 14. bis zum 16. Jahrhundert hat auch Memmingen, wie Ravensburg, mit der Papierherstellung seine Blütezeit. 1702 wurde die Stadt bayerisch und erlebte nach 1862 mit dem Bau der Bahnstrecke Neu-Ulm-Kempten eine neue wirtschaftliche Blüte. Im zweiten Weltkrieg blieb sie nicht von Bombenangriffe verschont, ist aber seit dem Krieg eine prosperierende Stadt, deren Wirtschaftswachstum über dem bayerischen Durchschnitt liegt. Ein sehr großer Teil der mittelalterlichen Altstadt hat den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegsjahre überstanden. Darunter sind noch zehn Tore und Türme und circa 2 km Stadtmauer. Durch die gute Verkehrsanbindung auf Straße, Schiene und in der Luft ist sie der Verkehrsknoten Oberschwabens, des Allgäus und Mittelschwabens. Wegen der Nähe zum Allgäu und aus touristischen Gründen bezeichnet sich die Stadt auch als „Tor zum Allgäu“, obwohl es aufgrund seiner kultur- und bauhistorischen Geschichte dem Bereich Oberschwaben zuzurechnen ist.

 Eine offizielle Eingrenzung für das Allgäu gibt es nicht, vielmehr gibt es unterschiedliche Gesichtspunkte für die Zuordnung diverser Grenzorte des Allgäus zum Allgäu. Allerdings gibt es einen Bereich, der in der Fachliteratur als Urallgäu gilt, welcher den ehemaligen Alpgau umgrenzt. Die größte Ausdehnung erfuhr der Name Allgäu nach dem Bauernkrieg Anfang des 16. Jahrhunderts, als das gesamte Oberschwaben als Allgäu tituliert wurde. Die nördliche Grenze markierte dabei die Donau, im Westen der Bodensee, der Osten durch den Lech und im Süden wurde das Allgäu durch die Alpen begrenzt. Die Städte Memmingen, Mindelheim sowie der Markt Ottobeuren werden erst seit einigen Jahrzehnten über die sogenannte Heuschreckengrenze durch den Heimatpfleger Alfred Weitnauer dem Allgäu zugerechnet.

 Es gibt mehrere Theorien zu Bedeutung und der Herkunft des Namens Allgäu. Besonders schön ist die Verbindung der althochdeutschen alb (Berg, Bergwiese) und dem Ge-Äu, welche für mehrere Auen steht. Die Bedeutung ergibt sich dann zu bergige Landschaft mit viel Wasser und Wiesen bzw. Auen. Das Alpenvorland des Allgäu zwischen Bodensee und Lech ist ein von der letzten Eiszeit geprägtes, aus Moränenwellen bestehendes Berg- und Hügelland. Ein Merkmal dieser Moränenlandschaft sind die in Mulden zurückgebliebenen Seen und Hochmoore (Wurzacher Ried), sowie die besonders im Westallgäu anzutreffenden Tobel. Zu den bedeutenderen gehören der Große Alpsee bei Immenstadt und der Hopfensee im Ostallgäu. Ferner befinden sich vor allem im Voralpenland und vereinzelt im Gebirge unzählige kleinere Seen und Weiher.

 Etwa 1200 vor Christus wurde mit den Illyrern das erste namentlich bekannte Volk in diesem Gebiet nachgewiesen. Danach siedelten hier die Kelten, welche 15 v. Chr. von den Römern unterworfen wurden. Im Jahr 233 durchbrachen die germanischen Alemannen und Sueben erstmals den Limes und besetzten das Land beiderseits des Rheins bis zu den Alpen. 536 wurden die Alemannen dann von den Franken unterworfen und im Jahre 817 wurde das Allgäu in einer St. Gallener Urkunde zum ersten Mal urkundlich als „Albigauge“ erwähnt. Das Allgäu, wie wir es heute lieben, ist geprägt von der Milchwirtschaft, welche vor allem Mitte des 19. Jahrhunderts ihren Aufschwung hatte. 1877 kamen die ersten Sommerfrischler ins Allgäu, damit begann der Tourismus. 1921 wurde die Allgäuer Butter- und Käsebörse in Kempten eingerichtet. Heute zählt das Allgäu zu den wichtigsten und größten zusammenhängenden Urlaubsregionen in Deutschland. Die Natur- und Kulturlandschaft zieht mehrere Millionen Gäste jährlich an, die vor allem die Vielseitigkeit der Region schätzen. Vom Alpinsport bis zum Wassersport sind zahllose Aktivitäten möglich. Das Allgäu ist bekannt für sein regionales Brauchtum. Es ist geprägt sowohl durch seine schwäbischen als auch bayerischen Einflüsse. Kulturelle Besonderheiten zeigen sich besonders in der Allgäuer Tracht, den regionalen Spezialitäten sowie in den unterschiedlichen Dialekten und im Handwerk. Ebenfalls überregional bekannt ist die Tradition des Almabtriebs ("Viehscheid") und ein besonderer Allgäuer Brauch ist das Funkenfeuer am 1. Sonntag nach Fasching.

 Gar nicht weit weg von Memmingen, etwas 10 km südöstlich, liegt der industriell geprägte Markt Ottobeuren mit seinen 8200 Einwohnern. Der Geschichte des Ortes ist eng verwoben mit der des Benediktinerklosters, welches 764 gegründet und 972 von Kaiser Otto I. zur Reichsabtei erhoben wurde. 1365 verlor die Abtei die Selbständigkeit und wurde Teil des Bistums Augsburg. Die romanische Kirche wurde im Deutschen Bauernkrieg im 16. Jahrhundert beschädigt und im Stil der Renaissance bis 1558 neu erbaut. Zuletzt wurde von 1737 bis 1766 eine große neue Klosterkirche (die heutige „Basilika“) erbaut, die das barocke „Gesamtkunstwerk“ Ottobeuren vollendete. Die Klosteranlage wird gegenwärtig als Museum, Schule und Fortbildungsstätte genutzt. Zum 1200-jährigen Jubiläum der Klostergründung wurden Kirche und Kloster 1964 umfassend renoviert.