Hagen - Meindorf

 

Wir verlassen auf den heutigen 98 Kilometern den Pott von Hagen aus Richtung Süden und setzen unseren Weg durch das Rheinische Schiefergebirge fort, diesmal im Bergischen Land, einem Teil des Süderberglandes (Sauerland). Den Gebirgscharakter der heutigen Etappe merken wir direkt zu Beginn, wo es von Hagen mit einem Anstieg von ca. 300 Höhenmetern hinauf Richtung Breckerfeld geht. Das Bergische Land umschließt das Städtedreieck Remscheid-Solingen-Wuppertal, die Stadt Leverkusen, den Kreis Mettmann, den Rheinisch-Bergischen und den Oberbergischen Kreis sowie Teile des Rhein-Sieg-Kreises. Es ging aus der 1101 zur Grafschaft des Adolf von Berg erhobenen Region an der Wupper hervor. Um sich aus dem sich anbahnenden Religionskonflikt herauszuhalten, betrieb das Herzogtum zu Beginn des 17. Jahrhunderts eine strikte Politik der Neutralität. Im Bergischen fanden keine großen Schlachten statt, es war aber Rückzugsraum, Winterquartier, Durch- und Aufmarschgebiet verschiedener Heerhaufen fast aller am Krieg beteiligter Konfliktparteien, unter denen die Bevölkerung stark zu leiden hatte. Anfang des 18. Jahrhunderts folgte ein starker Aufschwung, der bis in die untersten Schichten Wohlstand brachte. In dieser Zeit begannen auch die ersten Fabrikanten ihre Fachwerkhäuser mit Schiefer zu verkleiden, wodurch der typische bergische Haustyp enstand. 1815 wurde das Herzogtum aufgelöst und der preußischen Rheinprovinz zugeschlagen. Lange davor lebte hier jedoch bereits der Neanderthaler. Der ausgestorbene Vertreter der Gattung Homo aus der Eiszeit wurde nach seinem ersten Fundort im niederbergischen, von der Düssel durchflossenen Neandertal benannt.

 Der höchste Punkt ist der  Homert mit 519 m ü.NN bei Gummersbach. Landschaftlich hat das Bergische Land, wie kaum eine andere Region der Welt, eine extrem hohe Dichte an Talsperren zu bieten. An zwei von ihnen, der Ennepetalsperre sowie der Bevertalsperre fahren wir vorbei. Die Bevertalsperre von 200 ha Fläche und 23,7 Mio m³ Wasservolumen ist die ältere von beiden. Sie wurde 1896-1898 erbaut um die Bever, einen Nebenfluss der Wupper aus Hochwasserschutzgründen zu regulieren. Bei Niedrigwasser wird der Fluss aufgestaut und dient bei Hochwasser als Überlaufschutz der benachbarten Neyertalsperre. Im Sommer ist die Bevertalsperre ein Paradies für Wassersportler, die ungestört von Motorbooten hier schwimmen, tauchen und angeln können. Bei schönem Wetter werden sicherlich auch wir einen kurzen Abstecher ans Ufer zum Abkühlen unternehmen. Die Ennepetalsperre von 103 ha Fläche und 12,6 Mio. m³ Wasservolumen wurde 1902-1904 erbaut und dient im Gegensatz zur Bevertalsperre der Trinkwassergewinnung.

 Zwischen den beiden Talsperren liegt Radevormwald, oder kurz Rade mit seinen 22.390 Einwohner auf 421 m ü.NN. Sie ist eine der ältesten Städte im Bergischen Land und wird  erstmals 1050 urkundlich erwähnt. Zwischen 1309 und 1316 erhielt Rade die Stadtrechte und diente unter dem Grafen Berg als Grenzfeste gegen das märkische Sauerland. Vor allem im 15. Jahrhundert prosperierte die Stadt durch viele Schmiede, Wollweber und Gewandmacher. Sie überstand zwei große Stadtbrände im 16. Jahrhundert, sowie eine Hungersnot 1742.  1910 eröffnete hier die zweitälteste Jugendherberge der Welt.

 Weiter südlich erreichen wir nach gut 40 Kilometern Wipperfürth. Es beherbergt 21.480 Einwohner und befindet sich 280 m ü.NN. Die Hansestadt ist die älteste Stadt im Bergischen und wird 1131 erstmalig genannt. Sie erhielt 1225 die Stadtrecht vom Grafen von Berg und ist seit dem 14. Jahrhundert Mitglied der Hanse. Besonders sehenswert ist der Marktplatz mit seinen Gebäudeensembles. Aufgrund des gastronomischen Angebots ist Wipperfürth im Vergleich zu seinen Nachbargemeinden belebt. Von hier aus, nach einer eventuellen Stärkung an eben diesem gastronomischen Angebot, müssen wir nochmal 100 Höhenmeter überwinden, ehe wir uns in Richtung Lindlar in das Tal der Sülz begeben, dem wir bis nach Rösrath folgen. Wir haben die Köln-Bonner Bucht erreicht. Dabei handelt es sich um eine Niederterassenebene des Rheins, welche sich von Bonn über Köln bis Düsseldorf und Neuss zieht und zentraler Teil der Niederrheinischen Bucht ist, die sich von Nordwesten her ins Rheinische Schiefergebirge einsenkt. Östlich steigt das Land in Stufen zum Süderbergland an und westlich in Richtung Eifel. Hier herrscht hier ein mildes, maritimes Klima. Wir Menschen mögen das in der Regel. Schön, dass der Rhein sich zudem hervorragend als Verkehrsträger eignet. Folglich ist dieses Gebiet seit jeher stark besiedeltes und beliebt.

 Köln ist hier sicherlich die größte Stadt hier, doch Bonn mit seinen 318.810 Einwohnern auf 60 m ü.NN hat als „Stadt am Rhein“ mit seiner mehr als 2000-jährigen Geschichte auch seinen Reiz. Bonn liegt am Übergang des Mittelrheintals zur Niederrheinischen Bucht und hat seine Ursprünge in einem um 12 v. Chr. befestigten römischen Lager. Im Jahre 9 n. Chr., nach der Niederlage der Römer in der Varusschlacht, waren dann hier die Legionen stationiert. In deren Umfeld siedelten sich Händler und Handwerker an. Doch mit dem Ende des römischen Reiches ging auch der Niedergang Bonns in der Spätantike und im frühen Mittelalter einher. Zweimal kurz hintereinander wurde Bonn in diesen Jahren gebrandschatzt. Im 9. und 10. Jahrhundert entwickelte sich im Bereich des Münsters ein geistliches Zentrum und Ende des 13. Jahrhunderts machten die Kölner Kurfürsten Bonn - neben Brühl und Poppelsdorf - zu einem ihrer Wohnsitze. Die Kölner Kurfürsten ließen im 17. und 18. Jahrhundert prunkvolle Paläste erbauen, die der Stadt einen barocken Glanz verleihen. Doch schon 1794 endete auch diese Epoche durch die Besetzung durch französische Truppen. 1815, nach Napoleons Niederlage wurde Bonn Preußen zugesprochen und wurde in den nächsten Jahrzehnten geprägt durch die Gründung der Rheinischen Friedrich Wilhelms Universität im Jahre 1818, welche bevorzugter Studienort der Hohenzollern-Prinzen wurde. 1949, nach dem 2. WK setzte sich Bonn gegen den Konkurrenten Frankfurt a. M. als Hauptstadt der neuen Bundesrepublik durch blieb diese, bis nach der Wiedervereinigung 1991 Berlin Regierungssitz wurde. Für den Umzug des Bundestags wurden 1999 viele Ausgleichsmaßnahmen vereinbart. Unter anderem wurden Ämter nach Bonn geholt, die Hochschule Bonn/Rhein-Sieg gegründet und in Infrastruktur investiert. Heute bestimmen vor allem die großen Unternehmen, wie die Post und die Telekom die Wirtschaft und das Bild der Stadt. Gerade der Post-Tower als höchstes deutsches Bürogebäude außerhalb Frankfurts ist besonders dominant. Daneben gibt es aber auch noch einige traditionsreiche Unternehmen, die Haribo.

 Doch was ist jetzt das Rheinland? Alles davon, aber auch nichts. Alles, weil  Landschaften, wie das Bergische Land, die Kölner Bucht, das Siebengebirge, die Eifel, der Hunsrück, der Westerwald und der westliche Taunus dazugehören. Nichts, weil es eine nicht genauer definierte Landschaft um den deutschen Nieder- und Mittelrhein ist. Heutzutage wird es als Gebiet umfasst, das im Norden und Westen an die Niederlande, im Südwesten an Belgien, Luxemburg und das Saarland, im Osten an Westfalen und Hessen und im Süden an das Nordpfälzer Bergland und die Rheinhessische Schweiz grenzt. Ursprünglich umfasste das das Rheinland mehrere Gebiete, deren Einwohner nicht als Rheinländer bezeichnet werden konnten, wie die Berger, Kurkölner, Klever und andere. Vom Rheinland als Gebiet einer einheitlichen politischen und gesellschaftlichen Struktur kann erst seit 1797 gesprochen werden, als der linksrheinische Teil in das revolutionäre Frankreich integriert wurde. Nach dem Wiener Kongress wurden diese Gebiete Preußen, Hessen und Bayern zugesprochen, behielten aber u.a. den Code Civil bis zum Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches 1900.

 Am Ende des heutigen Tages durchqueren wir ein Naturschutzgebiet, eingerahmt von Köln, Rösrath, Lohmar und Troisdorf – die Wahner Heide. Die rechtsrheinische Mittelterrassenlandschaft zwischen dem Mündungslauf der Sieg im Süden und dem der Dhünn im Norden wurde sowohl im Ersten als auch im Zweiten Weltkrieg als Truppenübungsplatz, Flugfeld und Kriegsgefangenenlager genutzt. Heute liegt in Mitten der etwa 47 km² Fläche der Flughafen Köln/Bonn umgeben von 37 km² Naturschutzgebiet. Die Besonderheit der Wahner Heide besteht in einem sehr kleinräumlicher Wechsel aus trockenen und feuchten Biotopen. Grund dafür sind angewehte Sande nach der Eiszeit, die Dünen bildeten, auf denen das Regenwasser schnell versickert. Dadurch entstehen auf engstem Raum sowohl warme Trockenflure mit Heideflächen, Kiefer- und Eichenwäldern, als auch Senken, in denen sich das Wasser sammelt und Heidemoore, Moor- und Auenwälder bilden. Der Artenreichtum ist riesig in der Wahner Heide. An die 700 Tier- und Pflanzenarten leben hier, die einen Platz auf der Roten Liste der gefährdeten Arten haben. Ein Ureinwohner der Heide ist die „1000-jährige“ (vermutlich jüngere) Boxhorn-Eiche auf halbem Weg zwischen Altenrath und Hasbach, die hier „in Würde sterben“ darf. Doch nicht nur Tiere und Pflanzen genießen gerne dieses Gebiet. Auch die Menschen in der Umgebung erfreuen sich der Vielfalt der Natur; jedoch erst seit 2004 wieder uneingeschränkt. 1967 wurde das Gebiet zum militärischen  Sperrgebiet erklärt, woraufhin es zu Protesten der Bevölkerung kam. Die Menschen erwirkten von 1978-2004 eine Besuchererlaubnis an den Wochenenden und schließlich ab 2004 freien Zugang an jedem Wochentag.