Meindorf - Ediger-Eller

 

Auch der heutige Tag wird dominiert vom Rheinischen Schiefergebirge, und auf unseren 115 Kilometern sind insgesamt 1400 Höhenmeter zu überwinden. Doch zunächst können wir es am Rhein entlang etwas geruhsamer angehen lassen. Wie wir uns mühsam auf dem Weg von Nord nach Süd befinden, fließt der Rhein gemächlich und beständig von Süden nach Norden durch das 130 km lange Mittelrheintal. Das Durchbruchstal durch das Rheinische Schiefergebirge zwischen Bingen und der Siegmündung ist seit jeher ein wichtiger Verkehrsweg zwischen Nord- und Süddeutschland. Seit der  römischen Zeit findet auf diesem Weg ein Austausch zwischen Mittelmeerraum und Nordeuropa statt. Die Römer siedelten hier zwischen dem 1. Jh. v. Chr. bis ca. 400 n. Chr. und bauten die erste Handelsstraße zwischen Mainz und Köln. Reste dieses bedeutsamen Straßensystems (Geleisewege) finden sich heute noch z. B. nahe der heutigen Burg Stahleck Bacharach. Bis zum Mittelmeer wollen wir zwar nicht fahren, aber bis zum Bodensee ist auch weit genug.

 Nach den Römern regierten im Mittelrheintal lange die Könige und Kurfürsten. Zum Anfang des 19. Jh. unterstellten die Franzosen das Tal dem Département Rhin-et-Moselle, was der Bevölkerung sehr entgegen kann, bedeutete es doch das Ende der Adelsherrschaft, der Feudalabgaben, und die Einführung der liberalen Rechtsprechung. Als Folge des Wiener Kongresses fiel 1815 das linke Rheinufer an Preußen, während das Rechte nassauisch bleib. Unglücklicherweise wurden im preußischen Teil die Errungenschaften der französischen Verwaltung auch gleich wieder abgeschafft. Nach dem Preußisch-Österreichischen Krieg 1866 wurde dann auch das recht Rheinufer von Preußen annektiert. Die um 1900 einsetzende Industrialisierung konnte sich im engen Rheintal über die Zeit nicht durchsetzen. Die Region blieb dominiert vom Weinbau und einer kleinstädtischen-dörflichen Agrar- und Gewerbestruktur. Das tut dem Mittelrheintal jedoch nichts ab.

 Im Herzen Europas gelegen, mal Grenze, mal Brücke der Kulturen, spiegelt es die Geschichte des Abendlandes exemplarisch wider. Charakteristisch für seine vom Menschen gestaltete Kulturlandschaft sind die vielen Höhenburgen und anderen Baudenkmäler, die Weinberge und die verwinkelten, alten Städte und Dörfer auf dem schmalen Ufersaum. Völlig zu Recht ist es als der Inbegriff der Rheinromantik ein begehrtes Touristenziel. Zwischen Koblenz und Bingen ist das Mittelrheintal seit 2002 UNESCO Welterbe.

 Eines dieser verwinkelten, alten Städtchen auf unserem Weg ist Remagen mit überschaubaren 16.390 Einwohnern auf ruhigen 60 m ü.NN. am linken Rheinufer südlich von Bad Godesberg. Es geht auf ein vor über 2000 Jahren erbautes römisches Kastell zurück. Damals lateinisierten die Römer den ursprünglich keltischen Namen Rigomagos (= Königsfeld) zu Rigomagus. 1158 und 1189 wurde der Status einer mittelalterlichen Stadt erreicht; Bekanntheit erlangte Remangen durch die Ludendorffbrücke, erbaut im Ersten Weltkrieg von 1916 bis 1918 als Eisenbahnbrück über den Rhein, die am 7. März 1945 von den Amerikanern eingenommen wurde und am 17. März 1945 einstürzte.

 Kurz nach Remagen verlassen wir das Mittelrheintal mit dem großen Fluss und beginnen uns einen Weg durch die Eifel zu schlagen. Das bis zu 747 m ü.NN hoch liegende Mittelgebirge setzt sich in Belgien als Ardennen fort und ist Teil des Rheinischen Schiefergebirges. Es liegt zwischen Aachen, Koblenz und Trier und fällt im Nordosten zur Niederrheinischen Bucht ab. Im Osten und Süden wird es durch Rhein und Mosel begrenzt. Der westliche Teil ist durch einzelne Hochrücken charakterisiert, während der Ostteil durch Vulkanismus entstandene Berge geprägt ist. Der höchste Berg der gesamten Eifel ist mit 746,9 m die Hohe Acht. Sie ist die einzige Eifel-Erhebung über 700 m. Allerdings erreichen viele Gipfel, Bergrücken und größere Gebiete wie der Zitterwald Höhen von mehr als 600 m. Abseits der Täler ist die Eifel eine schwachwellige Hochebene mit feucht-mildem Atlantik-Klima, daher vielen Niederschlägen und feucht-kühlen Sommern.

 Im Spätmittelalter war die Eifel im Grenzgebiet zwischen Kurköln, Kurtrier, Luxemburg und Jülich. Dies erklärt die große Zahl an jetzt in Ruinen liegenden Burgen, welche vor allem zur Grenzsicherung erbaut worden waren. Die Berg- und Hüttenwerke mit ihrem Bedarf an Grubenholz und Holzkohle zur Verhüttung, der große Bedarf an Bau- und Brennholz und die bis ins 19. Jahrhundert weit verbreitete Schiffelwirtschaft führten im 17. und 18. Jahrhundert zu einer fast völligen Abholzung der Wälder. Man muss sich die Eifel um 1800 als eine Wiesen- und Heidelandschaft vorstellen, auf der vor allem Schafherden weideten. Doch durch die ertragslosen Böden verarmte gleichzeitig die Bevölkerung zusehends. Mit Beginn der preußischen Herrschaft 1815 änderte sich an den sozialen Zuständen wenig: Die Eifel als ärmliches Randgebiet des Reiches („preußisch Sibirien“) war nur aus militärischen Gründen von Interesse. Die Preußen forsteten jedoch das gerodete Land stringent mit Nadelbäumen wieder auf. Weiterhin kam es zu vielen Hungersnöten. Heute noch gelten große Teile der Eifel als strukturschwaches Gebiet, große Industrieansiedlungen fehlen fast gänzlich. Landwirtschaft wird in nur in Tallagen und tieferen Gebieten betrieben, vor allem am Rhein, der Mosel und Ahr sowie der Wittlicher Senke wird umfangreich Weinwirtschaft betrieben. In den Hochlagen ist man auf Forst- und Milchwirtschaft beschränkt.

 Gleich zu Beginn der Eifeletappe, nach ca. 40 Kilometer, verlassen wir bei Brohl das Rheintal um den knapp 300 Höhenmeter langen Anstieg zum Laacher See in Angriff zu nehmen, den wir an dessen Westseite halb umrunden. Es handelt sich beim Laacher See um eine ovale, 3,3 km² große, wassergefüllte Caldera, welche, vollständig von einem 125 m hohen Wall umgeben ist und durch das Absacken der Decke der entleerten Magmakammer unterhalb des Vulkans entstanden ist. Im Laufe der Zeit kann sich ein solcher Kessel mit Wasser füllen. Der Laacher See ist in der Eifel, neben dem benachbarten Wehrer Kessel, die größte Caldera und die einzige wassergefüllte in Mitteleuropa. Außerdem ist sie der größte See in Rheinland-Pfalz. Da es sich um eine Caldera handelt wird der 51 m tiefe See durch Grundwasser gespeist und besitzt keinen natürlichen Abfluss. Durch seinen letzten Ausbruch wurde die Gegend im Rheintal 7 m dick mit Asche und Bims bedeckt. Das Auswurfmaterial verstopfte die Talenge des Rheins an der Andernacher Pforte, der dadurch aufgestaute See erstreckte sich über das Neuwieder Becken bis in den Oberrhein. Die Flutwelle nach dem Dammbruch ergoss sich über weite Bereiche des Niederrheins. Der Ausbruch war so heftig, dass sich dessen Ablagerungen noch in Schweden und Norditalien finden lassen. Aufsteigendes Kohlenstoffdioxid in der südöstlichen Uferzone des Sees zeigt auch heute noch die vulkanische Aktivität der Region. Ein Ausbruch innerhalb der nächsten Jahrtausende ist "sehr wahrscheinlich“. Das gilt für die gesamte Eifel, nicht für den Laacher See konkret.

Heute ist der See im Besitz des Klosters Maria Laach. Die hochmittelalterliche Klosteranlage an der Südwestseite des Laacher See wurde zwischen 1093 und 1216 als Stiftung Heinrichs II. von Laach erbaut. Der Pfalzgraf versprach sich von der Gründung des Klosterns Seelenheil für sich und seine Gemahlin, da diese kinderlos waren:

„Im Namen der heiligen und ungeteilten Dreifaltigkeit. Ich, Heinrich, von Gottes Gnaden Pfalzgraf bei Rhein und Herr von Laach, zur sicheren Befriedung der Demütigen im Geiste tun wir allen Christus und Getreuen, Künftigen, wie Gegenwärtigen, kund: Da ich kinderlos bin, habe ich unter Zustimmung und Mitwirkung meiner Gemahlin Adelheid zum Heil meiner Seele und zur Erlangung des ewigen Lebens auf meinem väterlichen Erbe, nämlich in Laach, zu Ehren der heiligen Gottesmutter Maria und des heiligen Nikolaus ein Kloster gegründet als Wohnsitz für solche, die die Mönchsregel befolgen. In Gegenwart und unter der Zeugenschaft des Herrn Heilbert, des verehrungswürdigen Erzbischofs von Trier, habe ich diesem aus eigenen Gütern eine Mitgift bereitet …“

 Dabei ist das zu „Laach“ verschliffene althochdeutsche Wort „lacha“ (= See) als Name für den See, den Ort und das Kloster erhalten geblieben. Die Klosterkirche ist eines der schönsten Denkmäler romanischer Baukunst aus der Salierzeit. Nach der französischen Machtübernahme wurde das Kloster aufgelöst und ging in den Besitz des französischen Staates über, der die beweglichen Güter und Ländereien versteigerte. Ziel war das Kloster als Haftanstalt zu nutzen, wozu es aber nicht kam, nachdem es nach dem Wiener Kongress in preußischen Staatsbesitz überging. Es wurde zunächst ein Rittergut eingerichtet, 1863 wurde das Kloster von der deutschen Jesuitenprovinz erworben und als Kloster wieder aufgebaut. 1892 übernahm der  Benediktinerorden die Angelegenheiten des Klosters. Heute besitzt die Abtei das Klostergut mit landwirtschaftlichem Anwesen, auf welchem ein Biobauernhof mit Hofladen sowie den Laacher See mitsamt Seehotel und eine Gärtnerei geführt wird.

 Vom Laacher See aus geht es südwärts, wir überqueren einen Höhenzug von ca. 400 m. ü. NN. Und fahren dann in das Tal der Nette hinab. Dort erreichen wir Schloss Bürresheim nach 65 Kilometern. Die alte Befestigung befindet sich auf einem Felssporn im Nettetal nordwestlich von Mayen, einem 230 m ü.NN gelegenen 18.820-Einwohner-Städtchen an der Römerstraße Trier – Andernach, welches im Vergleich zum Rest der Eifel ein eher trockenes Klima aufweist. Das Schloss Bürresheim ist eine von nur 3 Befestigungsanlagen in der Eifel, die nie erobert oder verwüstet wurden. Erbaut wurde sie im 12. Jahrhundert und besteht aus zwei Teilanlagen, die ursprünglich getrennt waren, seit dem 15. Jahrhundert. aber als geschlossenes Ganzes erscheinen. Oft wechselte die Burg den Besitzer, weswegen die Innenausstattung bunt gemischt im Stil von Spätgotik bis Historismus reicht.

 Gleich der nächste Ort ist Monreal im Tal der Elz. Monreal beheimatet nur 800 Einwohner und besitzt keine nennenswerte Industrie oder Kulturdenkmäler. Monreal ist einfach charmant. Die Ortsgemeinde im Tal der Elz unterhalb von Löwen- und Philippsburg wird erstmals 1193 als "Cunisberch" (=Königsberg) erwähnt und erhält später den französischen Namen "Monroial". Nach dem dreißigjährigen Krieg entstand eine Tuchindustrie mit Wolle von den Eifeler Schafherden. Die Fachwerk- und Bruchsteinhäuser zeugen vom ehemaligen Wohlstand die Stadt. Sie verarmte jedoch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Zuge des Niedergangs der Tuchindustrie aufgrund internationaler Konkurrenz. Seit den 30er Jahren erholte sich Monreal als man den Reiz der romantischen Eifel zu schätzen begann.

 Das Ende der Tour bildet der Calmont an der Mosel zwischen Bremm und Ediger-Eller. Er erreicht eine Höhe von 381 m ü.NN, was nicht besonders hoch ist, dafür aber besonders steil. Der Randhöhenzug zeigt eine Hangneigung von 65° und beherbergt damit zwei Weinbau-Einzellagen, die zu den steilsten Lagen der Welt gehören. Auf dem Calmont-Gipfel auf etwa 290 m über der sich Mosel befand sich vom 2.-4. Jahrhundert ein römisches Bergheiligtum. Heute sind aus Rentabilitätsgründen weniger Lagen bestockt als früher. An diesen wächst jedoch ein besonders guter Riesling, weswegen seit wenigen Jahren die Anbaufläche wieder zunimmt. Diese wird mühsam in Handarbeit und unter schmerzenden Waden gepflegt, da an den Steillagen nicht maschinell gearbeitet werden kann. Seit 2002 führt ein kleiner Klettersteig von Bremm nach Ediger-Eller.