Ottobeuren - Neuburg a. d. Donau

 

Nachdem die letzten beiden Tage von teilweise schweren Etappen und vielen Höhenmetern geprägt waren, wird das Profil heute wieder etwas leichter, und auf 130 Kilometern folgen wir ein langes Stück der Wertach auf ihrem Lauf in Richtung Donau. Gleich 1 km nachdem wir Ottobeuren verlassen haben, erklimmen wir im Ortsteil Guggenberg die maximale Höhe der Etappe auf 740 m ü.NN. Weitere Steigungen liegen auf 712 m ü.NN und 697 m ü.NN zwischen Eutenhausen, Köngetried und Dirlewang. Hinter Altensteig geht es nochmals steil auf 673 m ü.NN hoch und danach rollen wir kontinuierlich im Tal der Wertach bergab auf 490 m ü.NN, wo wir mit ihr zusammen bei Augsburg auf den Lech stoßen.

 Nach der Iller ist die Wertach mit ihren insgesamt 141 km der größte in den Allgäuer Alpen entspringende Fluss. Ab Marktoberdorf (35 km südlich von Türkheim) ist der Fluss seit dem Ende des 19. Jahrhunderts begradigt. Bei Türkheim, der mit 7000 Einwohnern viertgrößten Gemeinde im Unterallgäu, liegt die von den Geologen so genannte Wertachgabel. Hier geht der flache Talboden nach Westen hin ohne Höhenunterschied in den weiten Talboden der links benachbarten und kleineren Flossach über. Der Name Türkheim hat seinen Ursprung übrigens nicht etwa bei den vermeintlichen Türken, sondern bei einem verschleppten thüringischen Familienverband, der nach der Schlacht zwischen den fränkischen Merowingern und den Alamannen im 5. Jahrhundert hier zwangsangesiedelt wurde. Etwas weiter nördlich passiert die Wertach Ettringen, wo ihr Wasser schon früh für die Papierfabrik genutzt wurde und danach die 13.800 Einwohner-Stadt Schwabmünchen mit ihrem Wahrzeichen, den Hexentürmchen beim Rathaus und dem Strickerbrunnen am Schrannenplatz. Rechts und links unterhalb des Strickers stehen ein Lamm und eine Ziege und eine Geschichte erzählt, dass wenn sich zwei Personen gleichzeitig auf diese Tiere setzen, diese ihr Leben lang Freunde bleiben. Im weiteren Verlauf quert die Wertach Großaitingen, Bobingen und einen Stausee südlich des Augsburger Stadtteils Inningen, bei dem ein Besuch der schönen Wertach-Auen lohnenswert scheint. Im nördlichen Stadtgebiet Augsburgs mündet sie schließlich in den Lech.

 Augsburg, dass wir nach knapp 80 Kilometer erreichen, ist der Regierungssitz Schwabens, wurde 1909 Großstadt und ist nach München und Nürnberg mit ihren 286.400 Einwohner die drittgrößte Stadt Bayerns. Außerdem ist sie einer der ältesten Städte Deutschlands. Ihr Name geht auf das römische Heerlager und die spätere römische Provinzhauptstadt Augusta Vindelicorum zurück, die 15 v. Chr. unter dem römischen Kaiser Augustus gegründet wurde. Augsburg liegt an drei Flüssen (Wertach, Lech und Singold) und wird von zahlreichen Kanälen durchzogen. Dadurch besitzt die Stadt insgesamt 500 Brückenbauwerke – mehr als Venedig. Den Beinamen Fuggerstadt trägt sie durch die Fuggerei, die älteste bestehende Sozialsiedlung der Welt. Die Reihenhaussiedlung stiftete 1521 Jakob Fugger „der Reiche“, der damals bedeutendste Kaufherr, Montanunternehmer und Bankier Europas. Die Sozialsiedlung war für von Armut bedrohte Handwerker und Taglöhner gedacht, die aus eigener Kraft, zum Beispiel wegen einer Krankheit, keinen eigenen Haushalt führen konnten. Sie konnten innerhalb und außerhalb der Fuggerei ihrem Broterwerb nachgehen und sollten im Fall der wirtschaftlichen Erholung wieder ausziehen. Heute wohnen in den 140 Wohnungen der 67 Häuser 150 bedürftige katholische Augsburger Bürger für eine Jahres(kalt)miete von 0,88 Euro. Sie sprechen dafür täglich einmal ein Vaterunser, ein Glaubensbekenntnis und ein Ave Maria für den Stifter und die Stifterfamilie Fugger. Die Aufnahmebedingungen sind immer noch dieselben wie zur Zeit der Gründung: Wer in der Fuggerei wohnen will, muss Augsburger, katholisch und gut beleumundet sein. Bis heute wird die Sozialsiedlung aus dem Stiftungsvermögen Jakob Fuggers unterhalten. Einen Besuch wert ist außerdem das Schwäbische Handwerkermuseum, das historische Werkstätten alter und zumeist ausgestorbener Handwerke wie zum Beispiel Bader, Sattler, Schuhmacher, Uhrmacher, Bäcker, Buchbinder oder Posamentierer zeigt. Deutschlandweit bekannt auch die Augsburger Puppenkiste mit Urmel aus dem Eis oder Jim Knopf.

 Der Lech entspringt in Voralberg aus seinen zwei Quellbächen Formarinbach und Spullerbach und ist mit 264 km  deutlich länger als die Wertach. Der Name steht in der Analogie zu dem kymrischen Wort llech („Steinplatte“) und den bretonischen Wort lec’h („Grabstein“). In diesem Zusammenhang wird die Wortbedeutung von „Lech“ als „der Steinige“ erklärt. Wir begegnen dem Lech das erste Mal im Trinkwasser- und Naturschutzgebiet Augsburger Stadtwald, Bayerns größtem zusammenhängenden Auwald mit einer zum Teil bemerkenswerten Flora und Fauna, da von der Weiden-Aue über Kiefernheidewald und Laubmischwald bis zum Trockenrasen und Brennen viele verschiedene Einzellebensräume vorhanden sind, die von vielen Aubächen durchflossen werden. Ab der Mündung der Wertach in den Lech ist der Fluss stark begradigt und eingedeicht.

 Wir folgen ihm jedoch nicht nach Norden, sondern biegen noch vor der Wertachmündung Richtung Nord-Osten ab um nach 50 km entlang von Feldern, Wäldchen und bayerischen Dörfchen Neuburg an der Donau auf 383 m ü.NN mit seinen 29.200 Einwohnern zu erreichen. Die Stadt liegt an der Donau, die sich hier teilt und die bewohnte Luipoldineninsel bildet. Kurze Zeit war Neuburg a. d. Donau Anfang des 9. Jahrhunderts Bischofssitz und dann Hauptort einer Pfalzgrafschaft. 1717 war es für nur ein Jahr Resident der Kurpfalz. Danach war es ab 1808 bis 1918 in erster Linie als Militärgarnison bekannt. Die Industrie blieb daneben relativ schwach entwickelt. Mit Inkrafttreten der bayerischen Landkreisreform 1972 entstand aus dem Stadtkreis Neuburg und Teilen der Landkreise Neuburg und Schrobenhausen der neue Landkreis Neuburg an der Donau, der am 1. Mai 1973 seinen heutigen Namen erhielt und zum Regierungsbezirk Oberbayern wechselte.