Trier - St. Wendel

 

Ein kurzer Rückblick – 4 Tage zuvor auf der Etappe in den Ruhrpott; hier begegneten wir erstmals dem Rheinischen Schiefergebirge. Zur Erinnerung: „Es wird von gleich mehreren Flüsse, dem Rhein, der Mosel und der Lahn, in verschiedene Mittelgebirgsregionen unterteilt. Links des Rheins und nördlich der Mosel befindet sich die schöne Eifel, südlich der Mosel der Hunsrück. Auf der rechten Seite des Rheins sind nördlich der Lahn das Sauerland, das Bergische Land und der Westerwald zu finden, wohingegen sich südlich der Lahn der Taunus ausbreitet.“ Seit dem passierten wir das Sauerland mit dem Rothaargebirge, das Bergische Land und die Eifel. Jetzt erreichen wir den Hunsrück. Das Mittelgebirge ragt mit dem Erbeskopf bis zu 816 m ü.NN auf und wird von bewaldeten Höhenzügen dominiert, die gelegentlich von landwirtschaftlicher Nutzflächen sowie tief eingeschnittenen Tälern unterbrochen werden.

 Unser Weg führt uns durch eines dieser tiefen Täler, nämlich durch das Tal der Ruwer. Der rechte, 49 km lange Nebenfluss der Mosel ist ihr wasserreichster Hunsrücknebenfluss und versorgt Trier über die römische Ruwerwasserleitung mit seinem Wasser. Wir sind in der Heimat des Ruwerweins angelangt und begleiten das von Mühlen gesäumte Tal entlang des Ruwer-Hochwald-Radweg, der auf der Trasse der ehemaligen Hochwaldbahn verläuft und über 48 km und 400 hm über 20 Brücken führt. Am Ende des Radwegs liegt Hermeskeil, wo auf 542 m ü.NN in einer Mulde des Hochwalds im Südwesten des Hunsrücks 7120 Menschen leben. 53 und 51 v. Chr. wurde hier von Cäsars Truppen ein römisches Militärlager errichtet, welches auf 26 ha Platz für 5.000-10.000 Soldaten bot. Die erste Nennung des Ortes als Hermannis Kellede datiert sich auf 1220. 1970 wurden ihr die Stadtrechte verliehen.

 Das Klima im Hunsrück ist mild und subozeanisch. Hast du Glück und erreichst den Hunsrück bei gutem Wetter von Westen her, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es durch den Lee-Effekt auch im Osten trocken bleibt. Vielleicht bietet sich dann die Gelegenheit im 1,2 km² großen und 18 m tiefen Bostalsee zu schwimmen. Der See wurde 1979 abgestaut und dient hauptsächlich der Freizeitnutzung. An seinen Ufern gibt es sogar einen von Center Parcs betriebener Ferienpark.

 Es gab aber auch eine Zeit im Hunsrück bevor den Menschen so langweilig wurde, dass sie ihre freie Zeit in Ferienparks verbringen konnten. Die ersten im Hunsrück, es waren Römer, siedelten hier zwischen 50 v. Chr. und 400 n. Chr. Dann eroberten die Franken das Land, woraufhin es im Mittelalter territorial stark zersplitterte, bis es nach seiner Eroberung durch die Franzosen (1790) ab 1815 zu Preußen gehörte. Daran schloss sich ab 1871 die Gründerzeit im deutschen Reich an, doch der Erfolg kam spät im Hunsrück an und viele Familien zogen z.B. ins Ruhrgebiet. Im Gegensatz zum Sauerland ist der Hunsrück, trotz Freizeitpark, jedoch touristisch relativ wenig erschlossen.

 Irgendwo zwischen Hermeskeil und dem Bostalsee überqueren wir die Grenze von Rheinland-Pfalz und finden uns im kleinsten, und irgendwie auch vergessenem, Flächenbundesland Deutschlands wieder - dem Saarland. Dass das Saarland vielen Bundesbürgern nicht wirklich bewusst ist, mir geht das zumindest so, hat mehrere Gründe.

 Erstens: hier leben nur etwa 996.600 Menschen. Nur Bremen hat weniger Einwohner, aber Bremen ist auch eigentlich nur eine Stadt mit ausgelagertem Hafen.

 Zweitens: es liegt im äußersten Südwesten der Bundesrepublik und damit vielleicht auch am äußeren Rand des Bewusstseins der Menschen.

 Drittens: nachdem es erst 1920 aus vorher bayerischen und preußischen Gebieten gebildet wurde, stand es von 1920-1935 unter Verwaltung des Völkerbundes. Dabei war es dem französischen Wirtschaftsraum angehörig und behielt auch  nach dem Zweiten Weltkrieg weiterhin seine Sonderstellung und eigene Nationalität. 1955 kam es zur Abstimmung darüber ob das Saarland europäisiert werden sollte. Das Volk entschied sich dagegen, woraufhin es 1956 der Bundesrepublik beitrat. Das Saarland ist also „der Neue“ und kommt dem ein oder anderem spanisch… äh... französisch vor. Die französische Sprache ist hier übrigens stark verbreitet und Pflichtfremdsprache in der Schule.

Und da wir gerne in jedem Flächenbundesland mal übernachten möchten, endet die heutige Etappe auf 300 m ü.NN in Sankt Wendel im kleinen Saarland. Für diesen Abend teilen wir uns die Stadt mit 26.070 Einwohnern. Wo heute die Basilika steht, entstanden im 9. oder frühen 10. Jahrhundert eine Kirche und mehrere Märkte. 1326/1328 wurde das Dorf vom Kurfürsten von Trier und dem Erzbischof von Luxemburg erworben, wonach sich die Siedlung zu einer mittelalterlichen Stadt entwickelte, bis sie 1677 von französischen Truppen vollständig zerstört wurde. Leider besitzt Sankt Wendel kaum noch alte Häuser aus dieser Zeit, die bis 1960 noch zahlreicher vorhanden waren. Durch mangelndes Geschichtsbewusstsein musste diese oft Neubauten weichen.